- Rezensionsexemplar -
Da Theaterstücke eigentlich nicht meiner Komfortzone entsprechen und ich auch bislang immer einen großen Bogen um Theaterstücke gemacht hatte (in der Schule wurden wir ja leider immer dazu gezwungen), war ich sehr gespannt auf das Buch von Martin Schörle, welches gleich zwei Theaterstücke darbot. Da dies also die ersten Theaterstücke sind, die ich bewerte, möchte ich hier auch ein bisschen von meinem gewohnten Rezensionsstil abweichen.
Der Einstieg in ein Stück ist für mich immer etwas schwierig, so auch in diesem Fall. Aber nach einigen Seiten habe ich doch gut in dass Stück rund um den Beamten Fredenbek hinein gefunden. Hier ist Witz und Ernst vollständig miteinander verwoben. Man kann deutlich erkennen, dass der Beamte von seiner Arbeit ganz und gar vereinnahmt wurde... er ist sozusagen seine Arbeit. Dabei bedient er meiner Meinung nach viele Klischees, die man von einem Beamten im Sinn hat. Es wirkt fast wie Wahnsinn und doch kann man erkennen, dass es eine Taktik des Protagonisten ist, ebendiesem nicht zu erliegen.
Wenn man wie ich selbst in der Verwaltung arbeitet, kann man sich, so abgedreht es klingt, hervorragend mit Fredenbek identifizieren. Selbst mein Büro gleicht gewissermaßen dem des Beamten, der sich von seinem „normalen“ Leben außerhalb der Arbeit längst verabschiedet hat. Man kann viele Momente voll und ganz nachvollziehen, sie erinnern an die eigene Arbeit und daran, wie einen Kollegen und Bürger/Kunden „etwas“ aus dem Gleichgewicht bringen können. Das Stück wartet auf mit einer Ernsthaftigkeit, die man im ersten Moment gar nicht wahrnimmt, weil sie sich hinter einem todkomischen Korsett versteckt. Quasi ins Lächerliche gezogen wird und gerade das gibt dem Stück seinen Charme. Auch die Art und Weise wie das Stück verfasst wurde bzw. wie sich Fredenbek gibt, zeigt wie sehr er schon in seiner Arbeit verloren ist. Die Sätze sind oftmals total verschachtelt und hochtrabend - für den Ottonormalmenschen unverständlich... typisch Behördendeutsch sozusagen. So muss man das Stück ebenso aufmerksam und konzentriert lesen, wie einen Bescheid vom Ordnungsamt, was sich aber voll und ganz lohnt.
Die im Buch erwähnte Nähe zwischen Slapstick und Tragik ist absolut greifbar und real. Freud und Leid hängen eben doch mehr aneinander als man denkt.
Auch wenn der Titel des Stücks „nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten“ lautet, so kann der Leser davon ausgehen, dass es sich genau so in den Büros deutscher Verwaltungen zuträgt. Natürlich beizeiten nicht so überspitzt wie bei Fredenbek, dafür aber immer einen Schritt vom Abgrund der sich Wahnsinn und Lagerkoller nennt entfernt. Ich für meinen Teil sinniere zwar nicht über meine Radiergummis... dafür freue ich mich immer wie ein Kind am Weihnachtsmorgen wenn ich neues Büromaterial bekomme. Es sind die kleinen Dinge, die die Arbeit erträglich machen.
Das zweite Theaterstück in dem Buch ist meines Erachtens nach, das komplette Gegenteil zum ersten Stück. „Einladung zum Klassentreffen“ ist für mich eine Erzählung über das reale Leben. Die Protagonisten Carsten und Marina sind absolut authentische und natürliche Personen, ihre Geschichte liest sich leicht und einfach, was der sprachlichen Gestaltung des Autors zuzurechnen ist. Diese Kehrtwende im Erzählstil zeigt die Vielseitigkeit des Autors.
Im Laufe eines Telefonates (welches immer wieder eine Rolle spielt, sozusagen als leitender Handlungsstränge fungiert) lernt man das einstige Liebespaar mit jeder Seite immer besser kennen und durch ihre gefühlte Echtheit, fällt es dem Leser leicht sich selbst in dieses Stück hineinzuversetzen... Marina und Carsten treten auf wie Menschen von nebenan, absolut aus dem Leben gegriffen.
Die Protagonisten erleben Rückblicke in eine längst vergangene Zeit, die man sich selbst wieder herbeisehnt und man merkt, dass man selbst in seiner Zeit solch ein Paar in der Klasse hatte.
Auch wenn bei mir die Zeit für ein Klassentreffen noch nicht so reif ist wie bei Carsten und Marina, so hat mich dieses Stück neugierig gemacht, wie es wohl einmal bei meinem sein könnte. Eins ist sicher... die gute alte Schulzeit wünscht man sich auch mit 24 zurück... spätestens wenn man mittlerweile den Behördenwahnsinn aus der Arbeit kennt.
Beide Stücke haben mich toll unterhalten, mich zum Nachdenken und mehr noch zum Lachen gebracht. Das ist meiner Meinung nach das beste am Theater: man kann der Realität entfliehen und denkt in der Moral schlussendlich trotzdem darüber nach - geleitet durch die Figuren, die man hier mehrere Seiten lang verfolgt hat. Martin Schörle hat mit diesen beiden Stücken etwas tolles geschaffen und ich bin gespannt auf eventuelle Fortsetzungen... gerade auf unseren cholerischen Beamten am Rande des Wahnsinns...
Ich kann das Buch nur empfehlen.
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